Beschreibung
Die Bildszenen schildern auf faszinierende Weise Verhaltensweisen und Umgangsformen an den Höfen des christlichen Abendlandes und führen uns in eine Welt an der Schwelle zur Neuzeit, die mittels Symbolik und Allegorie in Zwiesprache mit dem Betrachter treten will. Der Maler verwendet gezielt Farben zur Vermittlung von Botschaften und setzt Pflanzen und Tiere stellvertretend für Eigenschaften und Personen, scheinbar belanglose Gegenstände als Bedeutungsträger, ein. Die lebendige Bildsprache entzieht sich einer eindeutigen Interpretation und gibt so der Fantasie des Betrachters Raum. Der Maler dieser Bilderfolge verstand es meisterhaft, die liebevolle Vertrautheit, in der das Paar miteinander verbunden ist, auszudrücken. Dabei dominiert das Zeichnerische, das Erzählende, es lässt die perspektivischen Konstruktionen und sorgfältigen Modellierungen der Körper in den Hintergrund treten. Gerade dadurch strahlen die Illustrationen eine Leichtigkeit und Eleganz aus, die hervorragend zu der dargestellten Erzählung passen.
Bis dato konnte die Handschrift noch keinem namentlich bekannten Illuminator oder Illuminatorin zugeschrieben werden, nur die Provenienz aus Frankreich aus dem Umfeld der Familie Brosse ist sicher.
Das Buch der Liebenden, Codex 388 des Musée Condé in Chantilly, ist ein berührendes Kleinod der letzten großen Blütezeit der französischen Buchmalerei, das auf wunderbare Weise ohne Worte – aber deshalb nicht weniger beredt – die Geschichte zweier Liebender erzählt und einen einzigartigen Blick auf das Empfinden und höfische Leben dieser Zeit gewährt.