Das Wiener Musterbuch

Brillanz und Virtuosität eines böhmischen Künstlers um 1400.

Ein einzigartiges, rätselhaftes Kunstwerk

Das an großen Kunstschätzen wahrlich reiche Kunsthistorische Museum in Wien besitzt ein Kleinod, das in seiner Art und künstlerischen Ausformung einzigartig und gleichzeitig ein wirklich rätselhaftes Objekt ist: das so genannte Wiener Musterbuch. Obwohl es in der Literatur gemeinhin als Musterbuch bezeichnet wird, ist seine eigentliche Bestimmung noch unklar. Insgesamt 56 Silberstiftzeichnungen umfasst die Sammlung eines unbekannten böhmischen Meisters. Sie sind in großer Meisterschaft ausgeführt und zart mit Farben gehöht. Der Künstler hat mit seinem Werk den faszinierenden Formenreichtum des „Internationalen Stils“, wie er in der Zeit um 1400 vorherrschend war, in perfekter Weise umgesetzt. Die äußerst feinen Zeichnungen sind  zudem durch zarte Pinselstriche in Weiß und Rot modelliert und erhalten so – trotz ihres kleinen Formats – eine unglaubliche Plastizität.

Art.-Nr.: 41035 Kategorien: , , ,
 

Beschreibung

Ahorntafeln und Lederschnitt-Etui – ein kostbarer Rahmen für ein edles Kunstwerk

Schon die äußere Form ist ungewöhnlich: insgesamt 14 Täfelchen aus Ahornholz werden von einem kostbaren dunklen Lederschnitt-Etui geschützt. In jede der Tafeln sind vier der feinen und detailreichen Zeichnungen eingepasst, die von kleinen Rahmen gefasst werden. Die Tafeln waren ursprünglich als Leporello montiert; das kostbare Lederfutteral war als Schutz und durch einen Gurt wohl auch als Tragetasche konzipiert. Die Bestimmung dieses einmaligen Werkes liegt bis heute im Dunkeln: War es eine Vorbildsammlung für einen Wanderkünstler, der mit der Kunst Böhmens ebenso vertraut war wie mit jener Frankreichs und Italiens, oder war das Kunstwerk für einen Gönner bestimmt – ein Geschenk als Dank oder Werbung für existenzsichernde Aufträge?

Feinst ausgeführte Portraits und Fabelwesen

Auf den 56 Zeichnungen brilliert der Künstler mit 39 (zwei davon sind jedoch erst im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts dazugekommen) großartig ausgeführten, außerordentlich individualisierten Portraitköpfen, die von der Qualität eines Dürer sind, 16 Darstellungen von Tier- und Fabelwesen und einem expressionistisch anmutenden Totenschädel. Besonders faszinierend ist die einzige ganzfigurige Darstellung einer Spinne, die, wie alle Zeichnungen dieses Virtuosenstücks auf einem alles verfremdenen grüngrauen Grund, das kleine Bildmotiv brillant hervorhebt.

Die Kopftypen zeigen in ihrer Vielfalt den Zusammenhang mit sakral-christlichen Bildthemen – wie etwa der Gottesmutter Maria, dem Verkündigungsengel, dem Jesusknaben, Christus am Kreuz oder auch den Aposteln – ebenso wie den mit der profan-höfischen Welt. Und zwischen all den raumlosen Köpfen und Büsten entdeckt der Betrachter auch einen reizenden Jüngling, der in ein rundes Wasserbecken schaut: Narziss, der ob der Schönheit seines Spiegelbildes sicherlich schon im 15. Jahrhundert begrifflich mit der Malkunst verbunden war.

Dieses Universum des „Weichen Stils“ höchster Qualität ist vor allem darauf ausgerichtet, beim Betrachter – heute wie vor 600 Jahren – Staunen zu erwecken und für die Fähigkeiten seines Schöpfers zu werben. Das Wiener Musterbuch ist ein spätes Zeugnis dessen, was man gemeinhin als Schule König Wenzels bezeichnet, und in dieser Eigenschaft erweist es sich als Summe dessen, was die böhmische Kunst seit den Zeiten von Kaiser Karl IV. und Peter Parler zustande gebracht hat, zugleich bildet es eine Verbindung zur späteren Malerei des 15. Jahrhunderts.

Ein mittelalterlicher Künstler und Buchmaler präsentiert sein Können

Dieses unglaubliche und in seiner Form wohl einzigartige Kleinod wird durch die originalgetreue Faksimilierung nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Edition gibt einem auserwählten Kreis von Sammlern die Möglichkeit, große Kunst in kleinem Format zu erleben, noch bevor das Wiener Musterbuch Ende 2012 mit der Neuaufstellung und Wiedereröffnung der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums wieder einer der großen Anziehungspunkte dieser Sammlung werden wird.

Feinste Miniaturen höchster Qualität in einzigartiger Konfektionierung

56 weiß und rot gehöhte Federzeichnungen auf grünlichem Papier, montiert auf zusammenklappbaren Holztäfelchen (jeweils 9,5 cm hoch und 9 cm breit), in einem Lederfutteral, um 1410 bis 1420 in Böhmen oder Österreich entstanden. Sie dienten einem Wanderkünstler wohl als Mustersammlung. Die Darstellungen von 56 Köpfen, Brustbildern sowie Tieren und Fabelwesen zeigen Einflüsse aus Böhmen, Frankreich und Italien und geben einen Eindruck vom Formenreichtum des „Internationalen Stils“.

Der Kommentarband

Für den Kommentar zum Wiener Musterbuch konnte  Frau Dr. Maria Theisen von der Kommission für Schrift- und Buchwesen der Österreichische Akademie der Wissenschaften und Wissenschaftlerin am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien gewonnen werden. Prof. Dr. Eberhard König erläutert im Anhang die Bedeutung und Rolle der Musterbücher in der mittelalterlichen Kunst.

Die Edition

Faksimile-Edition des Musterbuchs Inv.-Nr. KK 5003/5004 aus der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien. Die Auflage ist weltweit streng auf 800 Exemplare limitiert. Die Faksimile-Edition wird in einer originalgetreuen Nachbildung des Lederfutterals mit reicher Blindprägung geliefert.