Simon Bening – der berühmteste Miniaturenmaler der Kunstgeschichte

“Der beste Meister der Buchillustration in Europa” – so bezeichnete der portugiesische Diplomat Damião de Góis den flämischen Miniaturenmaler Simon Bening. Bening, der sein Leben der Buchmalerei widmete, hatte das Privileg, seinen Ruhm noch zu Lebzeiten erfahren zu können: Über Landesgrenzen hinweg wurden seine Werke gefeiert und bewundert, er erhielt Aufträge von Adligen aus allen Ecken des Kontinents und wurde zum Synonym für die Buchmalerei selbst.

LEBEN

Selbstporträt, 1558

Selbstporträt, 1558

Simon Bening wurde 1482 oder 1483 in Gent oder Antwerpen geboren, als ältester Sohn  von Alexander Bening, einem führenden Buchmaler der Gent-Brügger Schule, und seiner Frau Catherine de Goes, die entweder die Schwester oder Nichte des berühmten Tafelmalers Hugo van der Goes war. Bening wurde somit das künstlerische Talent in die Wiege gelegt. Er hatte nicht nur das Glück, in eine Künstlerfamilie hineingeboren worden zu sein, sondern auch in eine großartige Ära flämischer Buchkunst; eine Zeit, als die Manuskriptkunst dank der Unterstützung durch Aristokraten wie die Habsburger, die Herzöge von Burgund und die Königsfamilien von Spanien und Portugal eine Blütezeit erlebte.

Bening wurde vermutlich in der Werkstatt seines Vaters in Gent ausgebildet. Seine Karriere begann im Jahr 1500, als er der Gilde des Heiligen Johannes in Brügge beitrat und dort seine Signatur registrieren ließ. Fortan pendelte er zwischen Gent, Antwerpen und Brügge, bis er sich im Jahr 1517 dauerhaft in Brügge niederließ. In den Jahren 1524, 1536 und 1546 stand er den Kalligraphen, Buchhändlern, Buchmalern und Buchbindern der Gilde als Dekan vor.

Kalenderbild aus dem Da-Costa-Stundenbuch, ca. 1515

Da-Costa-Stundenbuch, ca. 1515

Bening war zweimal verheiratet: Mit seiner ersten Frau, Katherine Scroo, hatte er fünf Töchter, die Ehe mit Jane Tancre nach Katherines Tod 1548 blieb kinderlos. Bening gab die künstlerische Tradition an seine Kinder weiter: Seine älteste Tochter Lavinia Teerlinc genoss eine Ausbildung in seinem Atelier und stieg zur Malerin für Miniatur-Porträts am Hof von Edward VI. von England auf. Eine andere Tochter Benings, Alexandrine Claeiszuene, hatte Erfolg als Kunsthändlerin.

1561, im Alter von 78 Jahren, starb Simon Bening, und mit seinem Tod gerieten auch sein Ruhm und Talent allmählich in Vergessenheit. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden seine Werke wiederentdeckt.

WERKE

Stein-Quadriptychon, Tafel D, ca. 1525-30

Stein-Quadriptychon, Tafel D, ca. 1525-30

Bening spezialisierte sich auf Stundenbücher, schuf aber auch genealogische Tafeln und tragbare Altarbilder. Es gibt nur wenige Werke Benings, die tatsächlich seine Unterschrift tragen. Die Zuordnung vieler unsignierter Werke erfolgte daher auf der Basis von stilistischen Ähnlichkeiten zu den signierten Werken. Es wurden fast vierzig Manuskripte identifiziert, an denen Bening entweder mitgearbeitet hatte oder deren Illustrationen er komplett ausgeführt hatte. Zu seinen Auftraggebern zählten unter anderen Kaiser Karl V., Don Fernando (Infant von Portugal), und der Kardinal Albrecht von Brandenburg, für den Bening ein Gebetbuch sowie ein Stundenbuch anfertigte. Weitere bekannte Werke, die Benings Illustrationen enthalten, sind das Da-Costa-Stundenbuch, das Hennessy-Stundenbuch, das Van-Damme-Stundenbuch und das Breviarium Grimani. Besonders bemerkenswert ist außerdem das Stein-Quadriptychon, ein aus vier Holztafeln mit je 16 Miniaturen bestehender Bilderzyklus, der vom Leben Christi erzählt.

STIL

Gebetsbuch des Kardinal Albrecht von Brandenburg, ca. 1525-30

Gebetsbuch des Kardinal Albrecht von Brandenburg, ca. 1525-30

Unabhängig davon, welchem Medium Simon Bening sich bediente, die Ausführung seiner Werke zeugt von meisterhaftem Können. Besonders bewundert wurden Benings Darstellungen von Landschaften, die oftmals zu Subjekten an sich wurden anstatt nur als einfache Hintergründe zu dienen. Mittels der detailreich gestalteten Umgebungen schaffte er es, eine fast spielerische Spannung zwischen der zweidimensionalen Bildfläche und der Illusion von dreidimensionalem Raum aufzubauen.

Vor allem machte er sich aber einen Namen als großartiger visueller Geschichtenerzähler. Benings Darstellung der Figuren in seinen Miniaturen zeigt das große Interesse, das er an ihren emotionalen Zuständen, individuellen Persönlichkeiten und Beziehungen untereinander hatte. Sie interagieren über Mimik, Gestik und Posen so miteinander, dass teilweise ein fast theatraler Effekt entsteht. Bening schaffte es, das menschliche Drama inmitten des Heiligen wie auch des Profanen einzufangen und darzustellen. Selbst den ikonischsten Motiven verlieh er somit etwas ganz Eigenes und erreichte es, Tradition und Innovation zu vereinen.